Langzeitarchiv

Nachvollziehbare Qualität in der Archiv-Masterdatei*

* beispielhafte Repräsentation einer Archiv-Masterdatei mit Referenzstreifen – PKW_029_126, Stiftung Pestalozzianum, Zürich (von Digi-Lab FH Graubünden, erfüllt Metamorfoze), Kind, 15 Jahre, «Gott schütz uns vor Gespenstern», 1932, Tinte und Tusche auf Papier, 25,2 x 17,5 cm, https://sammlungen.pestalozzianum.ch/

Nur weil eine Vorlage digitalisiert werden kann, muss deshalb nicht das Resultat für die Langzeitkonservierung tauglich sein. Ein hoher Grad an Ähnlichkeit stellt kein Kriterium an ein wissenschaftliches Bild dar – die Referenzkette ist zusätzlich entscheidend. Bildgebende Systeme haben Abbildungsleistungen, die nicht automatisch archivtauglich sind. Bei einer Transformation mit den Ansprüchen für Print oder Web werden im Reproduktionsprozess zu konservierende Wahrnehmungs- bzw. Bildinformationen einfach eliminiert.

Mit Scharfstellung und einem Weissabgleich auf eine Graukarte ist das Nötigste für die Langzeitarchivierung leider nicht getan. Farbdifferenzen zum Original werden nicht hinterfragt – oder von einem Beobachter in einem subjektiven Bildbearbeitungsprozess interpretiert. Jede digitale TIFF-Datei ist unveränderlich und dem Operator oder Dienstleister einer Kulturerbe-Digitalisierung fällt eine hohe konservatorische Verantwortung zu. Empfindbare Farbunterschiede sind quantifizierbar und heißen dann Farbabstände, gemessen im Zahlenwert Delta E (∆E):

Wir kennen die technischen Abläufe zur Verwertung des digitalen Archivs in zehn, 30 oder 50 Jahren nicht und können heute etwa über den Grad der nachträglichen Schärfung keine endgültige Entscheidung treffen. Da der Begriff Bildqualität stark subjektiv geprägt ist, gibt es für eine Archiv-Masterdatei* international anerkannte Regelwerke mit Richtlinien zu sinnvollen technischen Kenngrößen.

Kontrollierbare Bildanforderungen für das Langzeitarchiv

Gemeint sind: zulässige Farbabweichungen von gemessenen Referenzdaten, korrekte Bildtonwerte, bestmögliche effektive Auflösung in allen Bildecken, keine Schärfungen oder niedriges Rauschen, keine unhomogenen Ausleuchtungen oder Vignettierungen des Objektives sowie Maßstabstreue und keinerlei technischen Artefakte. Für die Kulturerbe-Langzeitarchivierung sind diese bildgebenden Parameter durch die Spezifikationen Metamorfoze, FADGI oder ISO TS 19264 in jeweils drei oder vier Qualitätsklassen definiert.

Schlüssige Referenzkette

Für diesen Workflow werden mit gerätebasierten Testtafeln zur Einrichtung des Digitalisierungssystems referenzielle Anforderungen erfüllt. Durch objektbasierte Referenztargets, bei der Produktion in jedem Bild neben dem Original installiert, sind dann viele, aber nicht alle, oben genannten Anforderungen in der Archiv-Masterdatei nachvollziehbar. Sie stellen ein Qualitätsmerkmal dar und repräsentieren diskrete Zahlen, die auf korrespondierende Referenzwerte verweisen (z.B. Farbe). So ist gesichert, dass eine Referenzkette im Dienste der Wissenschaft nicht unterbrochen wird, dass der Operator Auskunft über seine Arbeitsweise erhält und dass spätere Qualitätssicherungen möglich sind.

Gerätebasierte A4-UTT-Testtafel für die Einrichtung des Arbeitsplatzes zur Langzeit-Digitalisierung

Objekt- und gerätebasierte Referenztargets sind in meinem Besitz und können etwa für die Metamorfoze- , die FADGI- oder ISO TS 19264 Spezifikationen bei Aufsichtsvorlagen sachgemäß eingesetzt werden.

Objektbasiertes Golden-Thread-Object Level Target 1.0

Kontrollierbare Farbe

Überprüfbare Farbabweichungen Delta E (∆E) von gemessenen Referenzwerten einer Farbtafel

Jeder Sensor einer Kamera bildet ein bestimmtes Farbspektrum ab und seine generierten RAW-Daten sind am Rechner oft nur eine bestimmte Interpretation, um Erwartungshaltungen der Anwender zu bedienen. Für eine natürliche Farbtreue im Cultural Heritage-Workflow kommen wir nicht umhin, komplette Aufnahmesysteme (Sensor, Objektiv, Lichtquelle) über ICC- oder DCP-Tabellen zu profilieren, um Farbabweichungen (ΔE) möglichst gering zu halten.

Pigmentmessung mit einem Spektralphotometer © Kai Mewes

Sollte es die Aufgabenstellung erfordern, dass Schlüsselfarben am Original mit einem Spektralphotometer überprüft und ggf. im ICC-Workflow korrigiert werden müssen, können Sie sich meiner Expertise in Sachen Multi-Target- oder One-Patch-Profiling sicher sein.

Auch für Farb- bzw. Helligkeitsmonitoring des Trägermaterials können so bei der Digitalisierung Messdaten als Quelldaten erfasst werden, die für spätere ΔE-Berechnungen eine wertvolle Aussage über die Lichtempfindlichkeit des Originals – und seine zulässige Austellbarkeit – gestatten.

Bestmöglicher Detailkontrast

Region-of-Interest-Patch zur Schärfe- und Auflösungsberechnung, Ausschnitt UTT-Target, Kamera: Phase One IQ3 100 Tri und Apo-Rodagon N 150mm für A4

Die Auflösungsleistung eines fotografischen Aufnahmesystems wird durch seine Kombination von Objektiv und Sensor bestimmt. Das Verhältnis von Beugungsscheibchen und Pixelgröße ist entscheidend darfür, wie hoch ein Kantenkontrast ist und mit wievielen Liennenpaaren pro Millimeter gearbeitet werden kann.

Wichtiger noch für die tägliche Arbeit ist beim Einrichten einer Digitalisierungsstation die messbare Schärfeleistung in den Bildecken und Rändern.

Prüfung des UTT-Targets auf bestmögliche Schärfe des Bildsystems in allen Bildregionen

Jedes eingesetzte Aufnahmesystem wird bei mir vor der Produktion auch einem Auflösungstests unterzogen, damit eine geforderte Detailzeichnung pro Abbildungsmaßstab gegeben ist, die bis zu den Bildrändern verzeichnisfreie und möglichst gleichbleibend scharfe Darstellungen ohne Interpolation oder Scharfzeichnung garantiert.

Chancen, Risiken und nicht zuletzt die Kosten unterschiedlicher Aufnahmesysteme werden für Ihren Auftrag, für Ihre Institution und für Ihre Forschungsausrichtung abgewogen, damit Sie nach dem Grundsatz – do it once and do it right – Ihr Digitalisierungsprojekt nachhaltig steuern können.

Die Praxisregeln zur Digitalisierung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) werden selbstverständlich berücksichtigt wie auch der Standard ISO/TS 19264-1:2017 für photographische Aufsichtsvorlagen zur Digitalisierung von Kulturgut, in dem sich in absehbarer Zeit die Anforderungen Metamorfoze und FADGI wiederspiegeln werden.

———————————————————————————————————

* Hans van Dormolen/Koninklijke Bibliotheek, Metamorfoze Preservation Imaging Guidelines, Image Quality, version 1.0, January 2012, The Hague:

“The Metamorfoze Preservation Imaging Guidelines are input oriented and relate exclusively to the image quality and metadata of the first file. All the desired output (derivatives) intended for print and/or the Internet can be made from this first file. In these guidelines this first file is referred to as the Preservation Master.